vom Oktober 2016
Positionspapier des Bundesarbeitskreises Seniorentheater/BDAT als Ergänzung zur Scheinfelder Erklärung.
Seniorentheater braucht …
… eine mutige Auseinandersetzung mit altersrelevanten Themen
Theater mit alten Menschen braucht immer wieder Mut, Themen fernab des Mainstreams zu bedienen. Krankheit, Demenz und Tod, Krieg und Gewalt, Sexualität und Erotik, Würde und Selbstverwirklichung im Alter sind allgegenwärtig wie zeitlos.
… die gesellschaftliche Einmischung
Theater mit alten Menschen braucht die stete Einmischung in die Gesellschaft, es soll brisante Themen nicht umschiffen, sich aber auch nicht von ihnen vereinnahmen lassen. Es darf nicht in unbedachtem Aktionismus verfallen. Brisanter Gegenwartsstoff darf nicht dem Diktat der unabdingbaren Schaustellung relevanter Aktualität folgen.
… kontinuierliche und nachhaltige Prozesse
Theater mit alten Menschen braucht eine langsame und regelmäßige Herangehensweise, um neu entstandene Freiräume des Alters sinnvoll zu nutzen. Nachhaltige Theaterarbeit und soziale Entwicklungen in der Altenkultur entstehen und verfestigen sich durch intensive und kontinuierliche Arbeits- und Probenprozesse und nicht durch einmalige Inszenierungsprojekte z.B. öffentlich geförderter Bühnen.
… empathische Theatermacher und ausgebildete Spielleiter
Theater mit alten Menschen braucht improvisations- und experimentierfreudige wie qualifizierte und empathische Spielleiter. Theatergeragogische Aspekte (z.B. Umgang mit Demenz) gilt es besonders zu berücksichtigen. Spezielle Spieleiterausbildungen, Workshops und Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches müssen verstärkt angeboten werden.
… vielfältige Aufführungsmöglichkeiten
Theater mit alten Menschen braucht Schutzräume wie Möglichkeiten der Präsentation vor einer breiten Öffentlichkeit, ob im heimischen Probesaal, auf der Theaterbühne oder im öffentlichen Raum wie in Einkaufspassagen, auf Straßen oder Marktplätzen . Der Wirkungskreis muss sich dabei nach den Bedürfnissen der Spieler richten.
… unterschiedliche Ausdrucksformen
Theater mit alten Menschen braucht die Vielfalt von Ausdrucksformen. Es darf sich nicht nur auf die Darstellung von „Sketchen“ beschränken, sondern sollte die ganze Bandbreite an Möglichkeiten (Biografietheater, Rückgriff auf literarische Vorlagen, Tanztheater, Performance) aufzeigen. Auch der Einsatz neuer Medien sollte Berücksichtigung finden.
… eine breite, lokale Verankerung
Theater mit alten Menschen braucht eine starke Implementierung in allen Regionen . Derzeit findet sich Seniorentheater wesentlich im städtischen Bereich. Kulturelle Teilhabe und künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten mit alten Menschen gilt es, im ländlichen Raum auszubauen und zu stärken.
… starke Lobbyarbeit und Sponsoring
Theater mit alten Menschen braucht engagierte Mitstreiter und Förderer auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen, vor allem braucht es finanzielle Unterstützung für eine langfristige Etablierung von Strukturen, Ausbildungsmöglichkeiten und Projekten im Seniorentheaterbereich.
… wirkungsvolle Netzwerkarbeit und mediale Präsenz
Seniorenfestivals, Theaterforen, Fachveranstaltungen sind wichtige Impulsgeber für die Seniorentheaterarbeit. Darüber hinaus ermöglichen sie den Dialog wie die Etablierung von Netzwerken auf bundesdeutscher und europäischer Ebene. Grenzüberschreitende Aktivitäten und Kooperationen gilt es auszubauen und zu verstetigen – begleitend durch eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit in allen medialen Bereichen.
… empirische Studien zur Gesundheitsvorsorge
Präventive und gesundheitsfördernde Aspekte der Seniorentheaterarbeit müssen künftig durch empirisch wissenschaftlich-medizinische Studien nachgewiesen und abgesichert werden, damit das Theaterspiel als Gesundheitsvorsorge durch Krankenkassen gefördert werden kann.
…ein charmantes Augenzwinkern
Theater mit alten Menschen braucht Humor und Leichtigkeit, um eine gesunde Distanz zur realen Tragik zu schaffen. „Erfrischend wie ein Bad ist Unsinn, und sinnlos wird, was dich so quält!“ (Erika Pluhar)